Alex war im früheren Leben einmal Rehbock
Die ersten Sonnenstrahlen sind zu erkennen, und die Vögel singen vom anbrechenden Tag .Während das Vogelkonzert immer mehr zunimmt, schleicht sich in meinen Kopf das alte Volkslied:“ Nun will der Lenz uns grüßen“. Goldgelb funkelt das Rapsfeld im ersten Sonnenlicht ;und in mir wächst die Vorfreude auf den neuen Jagdtag .…. Im Schutz der alten Hecke, die das Rapsfeld umgibt, bewegen wir uns langsam pirschend fort. Hin und wieder bleiben wir an lückigen Stellen stehen und leuchten mir unseren Ferngläsern den Rand des Rapsfelds und die angrenzende Wiese.Wird „ mein“ Bock sich wieder zeigen? Mein Bock? Na ja, irgendwie ist es schon mein Bock, auch wenn wir ihn gestern nur kurz gesehen haben, ein würdiger Lebensbock. Doch bisher ist nichts zu entdecken, was vermutlich an der kalten Nacht liegt, in der die Temperaturen nahe an den Gefrierpunkt gefallen waren. Ich trotte hinter Alex her und ärger mich im Stillen darüber, dass ich nicht im April die Reise nach Sündengeld angetreten habe, wenn die Chancen auf außergewöhnliche Trophäen am besten sind. Doch dann hätte ich dieses unvergessliche Erlebnis der erwachenden Natur nicht genießen können . Plötzlich bleibt Alex stehen und ich, völlig in meinen Gedanken versunken, laufe auf ihn auf…. Shit…Ohne auch nur das Fernglas zur Hand zur nehmen murmelt er „ there he is“ und deutet mit der Hand nach vorne. Ich sehe nichts, nehme das Fernglas, doch immer noch nichts! Doch auch nach perfekter Beschreibung der Position: In direkter Verlängerung der vor uns stehenden knorrigen Eiche in der Hecke, über das Rapsfeld hinaus,das am Rand zur gegenüberliegenden Hecke eine sehr große Saatlücke ausweist... Ich, der jahrelang in Afrika lebte und dort selbst Jäger führte, sehe auch mit Fernglas immer noch nichts…… Ohne irgendeine Aufforderung, kommen weiter Details von Alex zur Position des Bocks und das alles, ohne dass dieser auch nur einmal sein Glas zur Hand nimmt. Zwischen den beiden Stämmen, die ein V beschreiben , würde der Bock stehen. Ich suche das beschrieben V ,und im ersten Moment erkenne ich wieder nichts.Da ! Da war was! Die kaum wahrnehmbare wellenartige Bewegung, die entsteht, wenn ein Reh sich schüttelt…. Tatsächlich , nun macht es im Schutz der Hecke einen kleinen Schritt vorwärts, und ich starre ungläubig durch das Glas auf eine außergewöhnliche Rehkrone! Die uns zugewandte Stange besteht aus einem Endengewirr. Die linke Stange scheint eine 6 er Stange zu sein. Nun greift auch Alex zum Glas. Ein kurzes Zischen entfährt seinem Mund, und er murmelt nur „ What a monster“. Der Bock setzt sich in Bewegung, zieht aus der Hecke in die Wiese, die für uns vom Rapsfeld überriegelt ist. Alex dreht sich kurz zu mir um ,lächelt mich an, nickt mit Kopf, was ich mit einem Nicken erwidere, und los geht’s. Zuerst arbeiten wir uns durch das Heckenloch auf die Rapsfläche, die hier am Rand recht große Saatlücken aufweist. Dann geht es weiter bis zu einer Treckerspur, in der wir zügig in geduckter Haltung voranpirschen.